BAUHAUS UNDER GROUND*
VISUALISIERUNG VON MESSUNGEN DER REGIONALEN UND WELTWEITEN ERDBEBENTÄTIGKEIT
*OFFIZIELLES PROJEKT ZUM BAUHAUS-JAHR 2009
Einordnung
Eine seismische Station bedeutet, das „Ohr am Inneren der Erde“ zu haben und das sichtbar machen zu können, was unserer begrenzten Sinneswahrnehmung verborgen bleibt.
Das Projekt „BAUHAUS UNDER GROUND“ realisiert eine neuartige Präsentationsform des seismischen Monitoring: Die instantane Visualisierung kontinuierlich aufgezeichneter Bodenbewegungen.
Am Erdbeben-lnfo-Terminal kann man sich von den weltweit auftretenden Erdbeben und von den Erschütterungen im näheren Umfeld selbst überzeugen. Um den Signalen ihren ursprünglichen Herd und den Laufweg zuordnen zu können, werden Informationen weltweiter und nationaler Erdbebendienste ausgewertet.
Die in der Parkhöhle installierte Station ist sowohl für wissenschaftliche Aufgaben als auch für die Lehre und Ausbildung geeignet. Am Beispiel des extremen Naturereignisses Erdbeben stellt sie die Verbindung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft und ihre Spiegelung in der Kunst beispielhaft her.
Diese Station ist ein erster Schritt, der weitere Folgeaktivitäten hervorbringen kann. Er steht im Einklang mit den Aufgaben und Zielen der Klassik Stiftung Weimar,
… die überlieferten Schätze … der Öffentlichkeit in ihrer Aktualität und Lebendigkeit auf vielfältige Weise zugänglich zu machen … und einen Brückenschlag zwischen dem klassischen Erbe und den Künsten und Wissenschaften der Gegenwart zu ermöglichen und Raum für die Erörterung von Gegenwartsfragen aus dem Geist der Tradition zu schaffen.
Messpunkt
Seismische Stationen werden bevorzugt in möglichst ruhiger Lage und auf felsigem Untergrund aufgestellt, um die Bodenbewegung unverfälscht aufzuzeichnen und den Einfluss von Störquellen zu minimieren; sie sind deshalb weitestgehend von der Öffentlichkeit abgeschirmt. Im Fall der Parkhöhle steht die Station auf einem eher weichen Fels, der zu einer deutlicheren Ausprägung des Signals beiträgt.
Das ankommende räumliche Wellenfeld wird in seiner Ausbreitung durch den Erdkern und entlang des Erdmantels den aus der Physik bekannten Veränderungen durch Reflexionen und Brechungen unterworfen. Wellen unterschiedlicher Art treffen in einer bestimmten zeitlichen Reihenfolge ein. Von den vielen Wellenarten sind für die Gebäudeanregung ausschließlich die sich horizontal ausbreitenden Scherwellen von Bedeutung. Diese können Gebäude in Schwingung versetzen und im Extremfall zur Schädigung oder zum Einsturz führen.
Am Ende ihres langen Ausbreitungswegs steht das geologische Profil, das in charakteristischer Weise die Signale filtert und bestimmte Frequenzanteile verstärkt. Die Ingenieurwissenschaft verfügt heute über Hilfsmittel, um den Einfluss des geologischen Profils auf die Erdbebeneinwirkungen prognostizieren zu können. Oft versagen Bauwerke, wenn der Untergrund jene Anteile verstärkt, die mit den Bauwerksperioden zusammenfallen.
Messstation
Das Diagramm zeigt den schematischen Aufbau der Messstation. Die einzigen sichtbaren Elemente sind das Seismometer (der blaue Zylinder) und der Erdbeben-Info-Terminal auf der gegenüberliegenden Seite des Raums. Der größte Teil der Station liegt aber im Verborgenen. Dazu zählen einige hundert Meter Kabel, mehrere Computer, Netzwerk-Hardware, eine GPS Antenne und ein Analog-Digital-Wandler.
Aufbau eines Seismometers
Das in der Parkhöhle verwendete Seismometer (Lennartz LE3D-5s) vereint beide oben gezeigte Typen in einem Gerät. Es misst sowohl die vertikale Bodenbewegung als auch die horizontale Bodenbewegung in Nord-Süd und Ost-West Richtung und besitzt deshalb 3 Messkanäle. Die Daten dieser 3 Kanäle genügen, um die Verschiebung des Sensors in jede Richtung des Raumes zu berechnen (siehe Fenster 4 auf dem Monitor).
Monitor
(1) - Das Info-Fenster dient zur Darstellung von Erläuterungen und News. Hier finden Sie detailliertere Informationen zu den Elementen des Monitors. Außerdem wird das letzte große Beben dargestellt, das in Weimar gemessen werden konnte.
(2) - Das Fenster "one day plot" zeigt die gemessene Bodenbewegung für den ganzen Tag.
(3) - Im Globus-Fenster wird die weltweite seismische Aktivität der letzten 7 Tage dargestellt. Für diese Darstellung werden die im Internet verfügbaren Bebenregistrierungen verschiedener Institutionen verwendet: GFZ Potsdam (GEOFON), Erdbebenstation Bensberg (BNS) und Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau Baden-Württemberg (LGRB).
(4) - Das Sensor-Fenster zeigt die Verschiebung des Sensors im Raum.
(5) - Das Zeitverlauf-Fenster zeigt in Echtzeit die Bodenbewegung, die durch die Messstation in Weimar aufgezeichnet wird.
Öffentliche Wahrnehmung
Mit den seismischen Messungen wird die globale Welt an einem lokalen Punkt zusammengeführt. Nach wenigen Minuten treffen die seismischen Wellenfelder schwerer Erdbeben am Messpunkt ein. Starke Ereignisse können dann den ganzen Monitor ausfüllen. Die Ausschläge und ihre Dauer sind relativ zuverlässige Indikatoren für die Schwere des Bebens und die zu erwartenden Bebenfolgen.
Eine der Öffentlichkeit so zentral und in einem solch exzellenten Beobachtungsbereich zur Verfügung stehende Informationsquelle kann touristisch wahrgenommen werden, soll aber vor allem dazu beitragen, sich mit den elementaren Naturkräften und ihren Wirkungen auseinanderzusetzen und in konkreten Fällen katastrophale seismische Ereignisse wahrzunehmen.
Ein markantes Ereignis im Monitor sollte den Besucher anregen, die Nachrichten und Medien im Hinblick auf die Konsequenzen für die betroffenen Regionen zu verfolgen.
Bearbeiter
Dr.-Ing. Jochen Schwarz
Projektleitung
Dipl.-Ing. Christian Kaufmann
Konzeption und Realisierung
Dr.-Ing. Christian Golbs
Dr.-Ing. Lars Abrahamczyk
Technische Unterstützung
Dipl.-Ing. (FH) Manfred Brunner†
Beratung
Sponsoren



Danksagung
Herrn Dipl.-Ing. Karl-Heinz Schmidt und den Mitarbeitern der Parkhöhle, Stiftung Klassik für die kollegiale und engagierte Zusammenarbeit.
Herrn Prof. Walter Steiner und Dr. Reimund Frentzel, Weimar für die Unterstützung der Projektidee und die Begleitung ihrer Umsetzung.
Den Hausmeistern und Handwerkern der Bauhaus-Universität für die technische Unterstützung während der Probephase in der Marienstraße 13.
Gewidmet Dipl.-Ing. (FH) Manfred Brunner (1947-2010), der sich bei Einrichtung eines seismischen Messnetzes in Deutschland bleibende Verdienste erworben und im Rahmen nationaler und internationaler Projekte wesentlich zur Qualifikation der Kollegen und Freunde in Weimar beigetragen hat.