Historische Erdbeben

Quellenrecherche und Reinterpretation (Neubewertung) historischer Erdbeben

Bsp.: Das Schurwald-Erdbeben vom 4. August 1940

Überprüfung von Schütterwirkungen historischer Erdbeben

Am Beispiel der Erdbeben vom 16. November 1911 und vom 3. September 1978 in Gegend von Albstadt werden lokale Überhöhungen der Intensität untersucht. 

Die Interpretation lokaler Überhöhungen der Intensität schließt die Aufbereitung der makroseismischen Befunde und ihre Auflösung in die ursprünglich zugrunde gelegten Basisdaten ein und gewährleistet somit eine höhere Detaillierung. Anhand der durchgeführten Quellenrecherche zu den Ereignissen wird deutlich, dass Bauwerksschäden nur in Ausnahmefällen im Originalbefund dokumentiert sind. Eine Ausnahme bildet das Albstadt-Beben vom 3. September 1978, das zur Verifikation der Vorgehensweise reinterpretiert werden soll.

Die Verbindung zu den Bauwerksschäden ist demzufolge über 

  • die messtechnisch bestimmte dominante Standortfrequenz
    fn bzw. Standortperiode Tn (Ebene 1b),
  • den Einfluss von Topographie (Ebene 4),
  • Baugrund bzw. Geologie (Ebene 5), und daraus abzuleitende Standorteffekte herzustellen.

Nach Aufbereitung der unterschiedlichen Datenebenen von Einflussfaktoren im GIS-Format (Ebene 1b bis 5b in Abb. 3) ist zu entscheiden, ob Intensitätsüberhöhungen begründet werden können, oder ob eine Indikation für die Fehlinterpretation bzw. Überbewertung von tatsächlichen Schütterwirkungen vorliegt. Zur Absicherung der Aussagen sind auch die makroseismischen Karten anderer Erdbeben heranzuziehen. Dabei wird unterstellt, dass sich Anomalien infolge des lokalen Untergrundes im Wiederholungsfall abbilden.

Ergänzend zu diesen Untersuchungen ist eine Reinterpretation der Verletzbarkeit des Bauwerksbestandes im historischen Kontext vorgesehen. An Fallstudien soll überprüft werden, ob sich Zusammenhänge zwischen lokalen Standortbedingungen und auffälligen Konzentrationen von Bauwerksschäden nachweisen und für die Einbindung in seismische Risikoanalysen quantifizieren lassen.

Aktuelle Forschungsvorhaben

Schütterwirkungen historischer Erdbeben und Konsequenzen für die seismischen Bemessungsgrößen

Inhalt

Für die Ableitung realistischer Erdbebenszenarien bzw. ingenieurseismologischer Bemessungskenngrößen ist von Bedeutung, dass gerade bei den probabilistischen Gefährdungsanalysen - durch den großräumigen Maßstab der Darstellung - Detailinformationen verloren gehen und somit nicht auszuschließen ist, dass regionale (vornehmlich geologie- und untergrundbedingte) Besonderheiten verdeckt werden.

Die intensive Beschäftigung mit einzelnen historischen Beben und die Ableitung der auslegungsrelevanten  historischen Beben in seismotektonischen Einheiten verdeutlichen eine nachweisliche Diskrepanz zwischen den nach den Grundsätzen der KTA 2201.1 (1990) ermittelten „maßgebenden Ereignissen“ und den zugehörigen (hypothetischen, rechnerisch ermittelten) Schütterwirkungen, einerseits, und den am jeweiligen Standort oder in seiner Nähe tatsächlich beobachten historischen Beben Schütterwirkungen.

Für die Ingenieurpraxis kritische Situationen sind scheinbar dann gegeben, wenn  z.B. in Standortnähe sicherheitsrelevanter (z.B. kerntechnischer) Anlagen erhöhte Schütterwirkungen infolge lokaler Intensitätsinseln dokumentiert sind, die bei der Festlegung von Bemessungsbeben zu berücksichtigen wären.

Die insbesondere in den Karten der historischen Starkbeben erkennbaren „Buchten“, „Zungen“, „Kerne“, „Rücken“ und „Inseln“ (Bezeichnungen nach A. Sieberg,1933) spiegeln in vielen Fällen topographische und geologische Besonderheiten wider.

Lokale Intensitätsinseln sind grundsätzlich ein Indiz für den verstärkenden Effekt des lokalen Untergrundes oder ein Hinweis auf den Einfluss topographischer Besonderheiten. In diesen Fällen kann es erforderlich sein, sich nicht nur ausschließlich auf die maximalen Schütterwirkungen in Herdnähe zu konzentrieren, sondern vielmehr die Anomalien bzw. die Partikularität des Auftretens solcher Effekte zu begründen oder verfälschende Bewertungen der Schütterwirkungen im Rahmen der aufwendigen Neubewertung historischer Ereignisse aufzudecken.

Der Übertragung dieser Phänomene auf den Standort kann derzeit nur in geringem Umfange begegnet werden. Dazu bedarf es einer sehr sorgfältigen Abgrenzung der regionalen Boden- und Untergrundbedingungen, und einer entsprechenden Verifikation, die nur auf instrumenteller Grundlage möglich ist.

Im Vorhaben kommt demzufolge eine hybride Vorgehensweise zur Anwendung, in der die Interpretation historischer Beobachtungen mit Standortanalysen und instrumentellen Auswertungen gekoppelt wird.

 

Bearbeitung

  1. Zusammenstellung der makroseismischen Befunde

    Die intensive Beschäftigung mit den stärksten historischen Beben in Süd- und Südwestdeutschland erfolgt auf der Basis der in den Isoseistenkarten bereits verarbeiteten beobachteten maximalen Schütterwirkungen in Form der makroseismischen Intensität.

  2. Auswahl und Begründung der Testgebiete

  3. Quellenrecherche zu den Ereignissen und Dokumentation der Befunde

  4. Aufbereitung der unterschiedlichen Datenebenen von Einflussfaktoren im GIS-Format (vgl. Abb. 3)

  5. Messtechnische Standortuntersuchungen

    • Auswahl und Identifikation der Messpunkte
    • Meßtechnische Verifikation von Standortanomalien bzw. von Effekten lokal stark veränderlicher Untergrundverhältnisse Auswertung der Messungen
  6. Interpretation der Datenebenen

    • Indikation von Überbewertungen, Fehlinterpretation bzw. Gebieten mit markanten Intensitätsüberhöhungen 
    • Interpretation vorhandener Intensitätsüberhöhungen auf der Grundlage untergrundbedingter und topografischer Einflussfaktoren

Ergänzend zu diesen Untersuchungen ist eine Reinterpretation der Verletzbarkeit des Bauwerksbestandes im historischen Kontext vorgesehen

An Fallstudien soll überprüft werden, ob sich Zusammenhänge zwischen lokalen Standortbedingungen und auffälligen Konzentrationen von Bauwerksschäden nachweisen und für die Einbindung in seismische Risikoanalysen quantifizieren lassen.

Wie Untersuchungen verdeutlichen, ist eine Generalisierung der Effekte im makroseismjschen Maßstab nur bedingt möglich. Vielmehr bedarf es einer komplexen, z.T. mikroskaligen Auflösung, um die Phänomene (objektive Ursachen) erklären oder Fehlinterpretationen (subjektive Ursachen) nachweisen zu können.  

Literatur

Amstein, S., Schwarz, J. (2004): Das Schurwald-Erdbeben vom 04. August 1940 in der Gegend von Göppingen. Schriften der Bauhaus-Universität Weimar 116 (2004): 19--34.

 

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