Hochwasser Sachsen 2002

Ursachen

Vom 1. bis 12. August 2002 kam es in Mitteleuropa zu verschiedenen Starkregenereignissen, welche außergewöhnlich hohe Schäden nach sich zogen. Die besondere meteorologische Situation im August 2002 wird im sogenannten Kirchbachbericht der Sächsischen Staatsregierung [2] ausführlich dargelegt und wird hier kurz wiedergegeben:

Danach war das Hochwasser im August 2002 auf das Tief „Ilse“ zurückzuführen, welches schon am 11.08.2002 an der Alpensüdseite und dann entlang der Zugbahn in der Schweiz, Bayern, Österreich und Tschechien zu extremen Niederschlägen führte. In der Nacht zum 12.08. zog das Tief nach Sachsen und verstärkte sich dort erheblich. Eine aufkommende Nordströmung drückte die um das Tief herumziehenden Luftmassen gegen die Nordhänge des Erzgebirges. Die Niederschläge verstärkten sich durch die erzwungen Hebung der Luftmassen deutlich. Durch eine labile Schichtung fanden gewaltige niederschlagsbegünstigende Konvektionsprozesse statt. Es kam dann zu dem für Vb-Wetterlagen typischen Aufgleiten der feuchtwarmen Meeresluft, die gegen einströmende Kaltluft geführt wurde. Ein Hochdruckgebiet aus Skandinavien erschwerte zudem den Abzug des Vb-Tiefdruckgebiets.

Die daraus folgenden Niederschläge ergaben an mehreren Stationen neue Rekordwerte für den 24-stündigen Niederschlag [1]. Beispielsweise wurden in Dresden 158 mm Niederschlag registriert, was mehr als einer Verdopplung des bisherigen Rekordwerts dieser Station von 77,4 mm entspricht. An der Station Zinnwald-Georgenfeld wurde mit 312 mm Regen der höchste je in Deutschland beobachtete Tagesniederschlag gemessen. Dieser Wert entspricht etwa der 4-fachen normalen Niederschlagsmenge im gesamten August [1]. Nach [8] kommt dieser Wert in einem Gebiet von bis zu 25 km² der vermutlich höchsten Niederschlagshöhe nahe, die dort physikalisch möglich ist.

Durch die flächendeckenden außerordentlich ergiebigen Niederschläge kam es in Sachsen ab dem 12.08.2002 zu einer außergewöhnlichen Hochwassersituation. Diese war eine der schwersten Überschwemmungskatastrophen seit dem Mittelalter und hat einen für Deutschland außergewöhnlich hohen Schaden hinterlassen. Dies gilt im Hinblick auf die Zahl der Einzelschäden wie auch den Umfang des Schadens insgesamt. Neben 110 Verletzten war auch der Verlust von 21 Menschenleben in Deutschland zu beklagen [2].

Nach Einschätzungen der Münchener Rück [7] ist es vergleichbar mit der Jahrtausendflut im Jahre 1342, in dem an allen größeren Flüssen Mitteleuropas zwischen Nordsee und Mittelmeer Höchstwasserstände dokumentiert wurden.

In Deutschland wurden Schäden in Höhe von insgesamt 9,2 Milliarden Euro verursacht, von denen nur 1,8 Milliarden Euro versichert waren [7]. Der Freistaat Sachsen war dabei mit rund 6.2 Mrd. Euro [6], [9] das am schwersten geschädigte Bundesland.

Schadensdokumentation in Sachsen

Unmittelbar nach dem Abklingen des Hochwassers wurde von den Mitarbeitern des Erdbebenzentrums eine Schadensaufnahme im Bereich der Vereinigten Mulde in der Stadt Eilenburg durchgeführt. In der Zeit vom 25.08.-28.08.2002 wurden zudem zahlreiche Schadensfälle zwischen der Gemeinde Löbnitz in Nordsachsen an der Grenze zu Sachsen-Anhalt und der Stadt Grimma dokumentiert.

In und um Eilenburg ließen sich starke Schäden an der Eisenbahn-Infrastruktur feststellen. Neben der eingestürzten Eisenbahnbrücke über die Mulde (Abb. 1) wurden auch die Gleisanlagen und Bahndämme schwer geschädigt (Abb. 2 und Abb. 3).  Bei den Schäden an der Verkehrs-Infrastruktur fiel insbesondere der Einsturz der vor dem Hochwasserereignis umfangreich sanierten Pöppelmannbrücke in Grimma auf (Abb. 4). Des Weiteren wurden in und außerhalb vieler Ortschaften Gehwege und Straßen zerstört (Abb. 5 und Abb. 6.)

In den einzelnen Ortschaften waren neben reinen Durchfeuchtungsschäden (Abb. 7) auch zahlreiche schwere strukturelle Schäden an den allgemeinen Hochbauten  vorzufinden. Diese reichten von Setzungsschäden (Abb. 8) über das Versagen von tragenden Wänden (Abb. 12) bis hin zum Einsturz größerer Gebäudeteile bzw. des gesamten Gebäudes (Abb. 11 und Abb. 13). Diese Schadensfälle ließen sich zum einen auf sehr hohe Wasserstände und Fließgeschwindigkeiten zurückführen. So wurden in Grimma Wasserstände von bis zu 5 m beobachtet (Abb. 12 und Abb. 14).

Es zeigte sich auch, dass sich die verschiedenen Bauweisen unterschiedlich hinsichtlich der Ausbildung von strukturellen Schäden verhalten. Insbesondere Bauweisen, wie Lehmbauten (Abb. 9 und Abb. 10) und  Mauerwerksbauten mit Lehmmörteln (Abb. 12 ) erwiesen sich als sehr empfindlich gegenüber der Wassereinwirkung.

Zusammenfassung

Das Hochwasser 2002 hatte teilweise sehr schwere strukturelle Schäden an der allgemeinen Bebauung und der Infrastruktur in den betroffenen Gebieten hinterlassen, wie sie sonst nur bei Sturzflutereignissen im Gebirgsraum beobachtet werden.

Mit der Schadensdokumentation entlang der Vereinigten Mulde ließen sich erste Erkenntnisse über das Verhalten der verschiedenen Bauweisen der allgemeinen Bebauung unter dem Einfluss einer extremen Hochwassereinwirkung gewinnen.

Diese Zusammenhänge wurden in verschiedenen Forschungsprojekten spezifiziert und qualifiziert [10], [11], [12].

Die Schadensaufnahme nach dem Hochwasser 2002 war der Startpunkt für die Entwicklung des EDAC-Hochwasserschadensmodells [3], [4], [5], mit welchem die Schäden und Verluste an der allgemeinen Wohnbebauung bzw. vgl. Konstruktionen plausibel prognostiziert werden können.
 

Literatur

[1] Deutscher Wetterdienst (2005): Das Niederschlagsgeschehen in Mitteleuropa in den ersten 12 Tagen des August 2002:     www.dwd.de/DE/leistungen/besondereereignisse/niederschlag/20020901_rr-extrem_200208.pdf, 28.09.2016

[2] Kirchbach, H.-P.; Franke, S.; Biele, H., Minnich, L.; Epple, M.; Schäfer, F.; Unnasch, F.; Schuster, M. (2002): Bericht der Unabhängigen Kommission der Sächsischen Staatsregierung Flutkatastrophe 2002. Dresden, 250 S. https://publikationen.sachsen.de/bdb/artikel/10825/documents/10951, 28.09.2016

[3] Maiwald, H. (2007): Ingenieurmäßige Ermittlung von Hochwasserschadenspotentialen im mikroskaligen Bereich, Dissertation Bauhaus-Universität Weimar, Schriftenreihe des Instituts für Konstruktiven Ingenieurbau, Heft 011. ISBN: 978-3-86068-334-7

[4] Maiwald, H., Schwarz, J. (2011): Ermittlung von Hochwasserschäden unter Berücksichtigung der Bauwerksverletzbarkeit, EDAC-Hochwasserschadensmodell. scientific technical reports 01-11, Zentrum für die Ingenieuranalyse von Erdbebenschäden, Universitätsverlag, Bauhaus-Universität Weimar. https://asw-verlage.de/katalog/ermittlung_von_hochwasserschaede-1123.html

[5] Maiwald, H., Schwarz, J. (2015): Damage And Loss Prognosis Tools Correlating Flood Action And Building’s Resistance-type Parameters, International Journal of Safety and Security Engineering, Volume 5 (2015), Issue 3, 222 - 250. http://dx.doi.org/10.2495/SAFE-V5-N3-222-250

[6] Müller, U. (2010): Hochwasserrisikomanagement – Theorie und Praxis, Vieweg+Teubner Verlag, 440 Seiten, Wiesbaden 2010. https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-8348-9729-9

[7] Münchener Rück (2003): topics - Jahresrückblick Naturkatastrophen 2002

[8] Sächsisches Landesamt für Umwelt und Geologie (2002): Vorläufiger Kurzbericht über die meteorologisch-hydrologische Situation beim Hochwasser im August 2002: https://www.wasser.sachsen.de/download/kb021202.pdf, 15.02.2022

[9] Sächsische Staatskanzlei, Leitstelle Wiederaufbau (2003): Augusthochwasser 2002, Schadensausgleich und Wiederaufbau im Freistaat Sachsen

[10] Schwarz, J., Maiwald, H. (2007):    Prognose der Bauwerksschädigung unter Hochwassereinwirkung. Bautechnik 84 (2007) 7, 450–464. https://doi.org/10.1002/bate.200710039

[11] Schwarz, J., Maiwald, H. (2009): Von der Schadensaufnahme zur Verletzbarkeitsfunktion – ein Ansatz aus den Ingenieurwissenschaften. in „Hochwasserschäden – Erfassung, Abschätzung und Vermeidung“. Abschlussbericht des RIMAX-Forschungsprojektes MEDIS: „Methoden zur Erfassung direkter und indirekter Hochwasserschäden“: (Hrsg. Thieken, A. H., Seifert, I., Merz, B.), oekom-Verlag. https://www.oekom.de/buch/hochwasserschaeden-9783865811868

[12] Schwarz, J., Maiwald, H. (2009):    Berücksichtigung der Fließgeschwindigkeit bei Hochwasser-Schadensmodellen. Bautechnik 86 (2009) 9, 550 - 565. https://doi.org/10.1002/bate.200910056

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