Bemerkungen zum Mw = 9.0 Tohoku Erdbeben in Japan (11.03.2011)

Allgemeines

Am 11. März 2011 14:46 Uhr Ortszeit (6:46Uhr MEZ) erschütterte eines der weltweit stärksten registrierten Erdbeben mit einer Magnitude Mw = 9.0 (USGS)  bzw. 8.9 (GEOFON) die japanischen Region Tohoku. Das Epizentrum befand sich vor der Küste etwa 130 km östlich von Sendai und 400km nordöstlich der Hauptstadt Tokio (Abb. 1) und löste einen Tsunami aus, der verheerende Schäden verursachte und bisher eine noch nicht absehbare Zahl von Menschenleben in den Küstenstädten der Region forderte.

Nach Angaben des GeoForschungsZentrums Potsdam betrug die Verwerfungslänge ca. 400 km. Die Platten verschoben sich dabei um bis zu 27 m horizontal und 7 m vertikal [4]. Durch die Verschiebungen wurde die japanische Hauptinsel ca. 2.4 m nach Osten versetzt.

Das Beben ist als das stärkste in Japan bisher aufgezeichnete Beben seit Beginn der Erdbebenaufzeichnung vor 130 Jahren und wird als viert- bzw. fünftstärkstes, gemessenes Beben weltweit eingestuft.

 

Seismische Gefährdung und historische Bebentätigkeit

Japan liegt in einer der aktivsten Erdbebenregionen der Welt und wird regelmäßig von Erdbeben erschüttert. Die seismische Gefährdung resultiert aus der komplexen plattentektonischen Situation im Bereich der japanischen Inseln. Diese liegen an der geologischen Bruchzone von vier tektonischen Platten: der Nordamerikanischen, der Eurasischen, der Philippinischen und der Pazifischen Platte, welche sich gegeneinander bewegen (Abb. 1). Dabei schiebt sich die Pazifische Platte mit im Mittel 83 mm pro Jahr unter die Eurasische Platte. Die anhaltende Subduktion der Krustenteile ist maßgeblich verantwortlich für die starke Erdbebentätigkeit und den Vulkanismus in der Region.

Japan wird fast täglich von kleineren Erdbeben erschüttert. In größeren zeitlichen Abständen sind z.T. auch sehr schwere Erdbeben möglich. Abb. 1 gibt einen Überblick über die Epizentren der Erdbeben mit Magnituden M ≥ 8.0 im Bereich der Insel Honshu. Vom USGS wurden seit 1973 sieben Erdbeben mit Magnituden > 7 registriert. Das stärkste mit einer Magnitude von 7.8 ereignete sich im Dezember 1994 ca. 260 km nördlich des Epizentrums vom 11. März 2011.

Diese Off-Shore Beben können dabei (wie auch beim jetzigen Beben) z.T. sehr hohe Tsunami-Wellen verursachen. So wurden 1896 bei einem Erdbeben der Magnitude 7.6 Wellenhöhen von 38 m beobachtet, die 27000 Menschenleben forderten. Der vom Magnitude 8.6 Beben vom 2. März 1933 ausgelöste Tsunami erreichte mehr als 29 m Höhe und forderte ca. 3000 Menschenleben [11].

Besonders herauszuheben ist auch das Kobe-Erdbeben mit Mw= 6.9 bei dem 1995 ca. 6400 Menschen starben und ca. 100.000 Gebäude völlig zerstört wurden. Die Schäden an der Infrastruktur betrugen dabei ca. 100 Milliarden Dollar [9].

Vor- und Nachbebentätigkeit

Dem eigentlichen Hauptbeben ging am 09. März 2011 ein Vorbeben mit einer Magnitude Mw = 7.2 (USGS) voraus (Abb. 2). Das Epizentrum lag dabei etwa 40 km nordöstlich vom Epizentrum des Hauptbebens.

Diesem folgten zahlreiche Nachbeben (Abb. 3), wobei die beiden stärksten ca. 30 und 40 min später nach Angaben nach [3] Magnituden von Mw = 7.9 bzw. 7.8 erreichten. Von der Japan Meteorological Agency (JMA) wurden bis zum 25. März 2011 drei Nachbeben mit Mw > 7, 59 mit Mw > 6 und 352 mit Mw > 5 gemeldet [5]. Bemerkenswert dabei ist, dass die es somit mehr als 60 Nachbeben gegeben hat, welche die maximal zu erwartenden Magnituden für deutsche Erdbebengebiete erreichen bzw. diese sogar noch überschreiten.

Generell ist davon auszugehen, dass die Nachbebentätigkeit noch eine Weile anhalten wird.

 

Gemessene Bodenbewegungen

Das Erdbeben wurde weltweit von den seismischen Messstationen registriert. Die stärksten Horizontalbeschleunigungen wurden 125 km vom Epizentrum entfernt an der Station Tsukidate (MYG004) mit 2.7 g aufgezeichnet (Abb. 4). Es liegen weitere Registrierungen vor, bei denen Beschleunigungen von 2.0g bzw. 1.5g (g-Erdbeschleunigung) erreicht wurden. Weitere Stationsinformationen bestätigen Beschleunigungsamplituden im Bereich von 0.6.g bis 1.0 g. Dies wäre auch das Niveau, das angesichts der enormen Stärke des Erdbebens (Momenten-Magnitude Mw = 9.0, USGS) und seiner Herdtiefe 32 km (USGS) bzw. 24 km (JMA) zu erwarten wäre, wenn man unterstellt, dass das Epizentrum zwar 130 km östlich von Sendai und 370 km nordöstlich von Tokio liegt, die für die Energiefreisetzung relevante Herd- bzw. Bruchfläche durch den Subduktionsvorgang (parallel zur Küste) in der Tiefe bis unter das Festland reicht und somit die anzunehmenden Entfernungen deutlich geringer sind. Das heißt nichts anderes, als dass Entfernungs-Definitionen über die Nähe zur Bruchfläche (rupture distance) oder auch die Joyner&Boore-Entfernung (fault distance), bei der die Tiefenlage der Herdfläche an die Oberfläche projiziert wird, im vorliegenden Fall Modellannahmen darstellen, um die gemessenen hohen Beschleunigungen erklären zu können.

Diese extremen Werte dürften aber auf standortbedingte Verstärkungseffekte zurückzuführen sein, da der Standort durch eine nur wenige Meter starke Lehmschicht über dem anstehenden Fels gekennzeichnet ist [2].

Ungeachtet dessen, sind die o.g. singulären Registrierungen, die sich deutlich von den anderen Messungen unterscheiden, auch im Hinblick auf ihre Vertrauenswürdigkeit oder die Besonderheiten der Aufstell- und Aufzeichnungsbedingungen genau zu untersuchen.

Das Beben verursachte die stärksten bisher durch die der seismischen Station des Zentrums für die Ingenieuranalyse von Erdbebenschäden (in der Weimarer Parkhöhle) aufgezeichneten Registrierungen (Abb. 5 und Abb. 6).

Schäden durch das Erdbeben

Gemäß Angaben des Japanischen Innenministeriums (Ministry of Internal Affairs and Communications) wurden bei dem Erdbeben und dem nachfolgenden Tsunami 72945 Gebäude zerstört bzw. irreparabel geschädigt.

Generell ist einzuschätzen, dass die Zahl der nur durch die Erdbebeneinwirkung geschädigten bzw. zerstörten Gebäude deutlich geringer ist, als die Zahl der noch durch den Tsunami betroffenen. Abb. 7 verdeutlicht dies an einem Auszug aus der Schadensstatistik des Japanischen Innenministeriums.

Erste Schadensaufnahmen in Tohoku und Umgebung zeigen typische Schadensbilder an Stahlbetongebäuden mit dem Schubversagen an Stützen  und kurzen Wandscheiben (short column effect) was z.T. den Einsturz einzelner Etagen nach sich zog [7].

 

Schäden durch den Tsunami

Das starke Erdbeben verursachte entlang der Bruchzone einen vertikalen Versatz  durch den ein verheerender Tsunami ausgelöst wurde. Der Tsunami war durch das zeitlich gestaffelte Auftreten von Wellenfronten gekennzeichnet. Die erste erreichte bereits wenige Minuten nach dem Erdbeben die Küste Japans, so dass den Menschen trotz des funktionierenden Tsunami-Warnsystems nur kurze Zeit blieb sich in Sicherheit zu bringen.

Der Tsunami hinterließ über hunderte Kilometer Länge entlang der Küste bis mehrere Kilometer in Landesinnere eine Spur der Verwüstung. Ausdruck der aus den andauernd anströmenden gewaltigen Wassermassen generierten Kräfte sind bizarre Bilder von auf mehrgeschossige Gebäude versetzten Booten und Fahrzeugen, auf Brücken abgelagerte Häuser sowie durch starke Ausspülungen komplett veränderte Küstenabschnitte. Die Ursache für die meist vollständige Zerstörung der Gebäude ist in der Kombination der hydrodynamisch bedingten Lasten und des Anpralls von Treibgut zu sehen. 

Wie auch beim Tsunami nach dem Magnitude 8.8 Erdbeben vom 27.02.2010 in Chile [6] konnte die offenbar durch viele Leichtbauweisen (meist Holzrahmenkonstruktionen) in den betroffenen Küstenregionen gekennzeichnete Bebauung den extremen Einwirkungen der mehrere  Meter hohen Wellen kaum Widerstand entgegensetzen. In Ofunato in der Präfektur Iwate erreichte der Tsunami entsprechend einer Studie des Forschungsinstitutes der japanischen Hafenbehörde sogar eine Höhe von 23 m [10]. Bilder von verformten bzw. völlig zerstörten Stahlrahmenkonstruktionen, welche sich unter Erdbebeneinwirkung in der Regel sehr gut verhalten, verdeutlichen die Problematik aufeinanderfolgender unterschiedlicher extremer Einwirkungen auf die Bebauung.

Offenbar nur wenige Gebäude, meist mehrgeschossige Stahlbeton- (Mauerwerks)konstruktionen widerstanden (allerdings stark geschädigt) dem Tsunami.

Wie in Chile sind zahlreiche Schäden an der Infrastruktur zu verzeichnen, deren Ausmaß sich noch nicht abschätzen lässt. Ausdruck hierfür sind weggespülte Straßen, zerstörte Bahnverbindungen und der vom Tsunami betroffene Flughafen der Stadt Sendai.

Literatur

[1] Center for Engineering Strong Motion Data (2011): CESMD Internet Quick Report. Japan, Tohoku Earthquake of 11 Mar 2011. [online]
http://strongmotioncenter.org/cgi-bin/CESMD/iqr_dist_DM2.pl?IQRID=Japan_11Mar2011_usc0001xgp&SFlag=0&Flag=2

[2] K-Net (2011): Station MYG004 - Soil. © National Research Institute for Earth Science and Disaster Prevention. [online nicht mehr verfügbar] 

[3] GEOFON; GeoForschungsZentrum Potsdam (2011): Automatic GEOFON Global Seismic Monitor. [online]
http://geofon.gfz-potsdam.de/geofon//seismon/globmon.html.

[4] Helmhotz-Zentrum Potsdam Deutsches Geoforschungszentrum: Neue Erkenntnisse zum Ablauf der Erdbeben-Katastrophe. Das Katastrophenbeben vom 11. März - wissenschaftliche Auswertung
https://www.gfz-potsdam.de/medien-und-kommunikation/meldungen/detailansicht/neue-erkenntnisse-zum-ablauf-der-erdbeben-katastrophe

[5] Japan Meteorological Agency (2011): The 2011 off the Pacific coast of Tohoku Earthquake-Portal. [online nicht mehr verfügbar]

[6] Maiwald, H.; Schwarz, J.; Abrahamczyk, L.; Lobos, D.(2010):  Das Magnitude 8.8 Maule (Chile)-Erdbeben vom 27. Februar 2010 – Ingenieuranalyse der Tsunamischäden. Bautechnik 87 (2010) 10, 614–622

[7] Motosaka. M. (2001): The 2011 Off the Pacific Coast of Tohoku Earthquake - Quick Investigation Report on Earthquake Damage on Buildings:
http://learningfromearthquakes.org/2011-03-11-tohoku-japan/images/2011_03_11_tohoku_japan/pdfs/20110319_Quick_Survey_Motosaka-Otani_.pdf

[8] National Earthquake Information Center – NEIC (2011):
http://earthquake.usgs.gov/contactus/golden/neic.php

[9] Risk Management Solutions (2005): 1995 Kobe Earthquake 10-year Retrospective.
http://forms2.rms.com/rs/729-DJX-565/images/eq_1995_kobe_eq.pdf

[10] Welt Online (18.03.2011): Tsunami-Welle war mindestens 23 Meter hoch. [online]
http://www.welt.de/vermischtes/weltgeschehen/article12871393/Tsunami-Welle-war-mindestens-23-Meter-hoch.html

[11] U.S. Geological Survey (2011): Magnitude 9.0 - NEAR THE EAST COAST OF HONSHU, JAPAN 2011 March 11 05:46:23 UTC. [online] http://earthquake.usgs.gov/earthquakes/eventpage/official20110311054624120_30#executive

[12] USGS (2009): Global GIS Databases - Datasets. [online] webgis.wr.usgs.gov/globalgis/datasets.htm (Letzter Zugriff 2010-03-04)

[13] U.S. Geological Survey: Earthquake Hazard Program. [online]
http://earthquake.usgs.gov/earthquakes/search/.

[14] Centro International de la papa (2008): Administrative boundaries Japan.
http://research.cip.cgiar.org/gis/modules.php?name=Downloads&d_op=viewdownload&cid=11.

[15] U.S. Geological Survey: Global 30 Arc-Second Elevation (GTOPO30). [online]
https://lta.cr.usgs.gov/GTOPO30.

[16] Naumova, V. V.; Miller, R. J.; Patuk, M. I.; Kapitanchuk, M. Y.; Nokleberg, W. J.; Khanchuk, A. I.; Parfenov, L. M.; Rodionov, S. M. (2006): Geographic Information Systems (GIS) Spatial Data Compilation of Geodynamic, Tectonic, Metallogenic, Mineral Deposit, and Geophysical Maps and Associated Descriptive Data for Northeast Asia. Open File Report OF2006-1150. Prepared in collaboration with Russian Academy of Sciences, Mongolian Academy of Sciences, Jilin University, Korean Institute of Geoscience and Mineral Resources, and Geological Survey of Japan. [online]
http://pubs.usgs.gov/of/2006/1150/ (Letzter Zugriff 2011-04-04).

[17] Becker, J. J.; Sandwell, D. T.; Smith, W. H. F.; Braud, J.; Binder, B.; Depner, J.; Fabre, D.; Factor, J.; Ingalls, S.; Kim, S.-H.; Ladner, R.; Marks, K.; Nelson, S.; Pharaoh, A.; Trimmer, R.; von Rosenberg, J.; Wallace, G.; Weatherall, P. (2009): Global Bathymetry and Elevation Data at 30 Arc Seconds Resolution: SRTM30_PLUS. In: Marine Geodesy, Bd. 32 (2009) Nr. 4, S. 355-371, doi:10.1080/01490410903297766.

Hinweis

Zur Darstellung der Karten wurde das GIS-Programm MapInfo Professional® eingesetzt.