Bemerkungen zum M 7.7 Erdbeben bei Awaran (Pakistan) vom 24.09.2013
Das Erdbeben vom 24. September mit Epizentrum ca. 300 km nordwestlich von Karachi erreichte mit der Magnitude 7.7 (USGS, 2013) eine bemerkenswerte Stärke. Das Epizentrum liegt in einem durch verschiedene Verwerfungen stark strukturierten Gebiet. Die Verwerfungen laufen in nordost-südwestlicher Richtung entlang der Grenzlinien zwischen der Arabischen und Indo-Australischer Platte (Abb. 1). Entlang dieser Verwerfungslinien sind in der Vergangenheit verschiedene Starkbeben aufgetreten, von denen u.a. im nördlichen Bereich in der Stadt Quetta nach dem Beben 1935 Schlussfolgerungen für erdbebengerechtes Bauen entwickelt und erstmals eine regionale Baunormung („Quetta-Code“) eingeführt wurde (Maqsood und Schwarz, 2010).
Das betroffene Gebiet ist durch eine geringe Besiedlung gekennzeichnet (Abb. 2). Die vorhandene Bebauung ist durch Adobe-Bauweisen geprägt, d. h. durch die Verwendung natürlicher Materialien. Schadensbilder zeigen Gebäude aus luftgetrockneten Lehmziegeln, die in dieser Region typisch sind und im Baubestand dominieren (Abb. 3). Die Region ist aufgrund der Randgebirgslage schwer zugänglich (vgl. Abb. 11). Die Straße in der Nähe des Epizentrums (rot markiert, Abb. 11) ist völlig unzugänglich / nicht für den Verkehr empfohlen (NDMA, 2013b). Möglicherweise ist dies auf Hangrutschungen in dem bergigen Gebiet zurückzuführen. Die blau markierte Straße in Abb. 11 ist für den Verkehr zugänglich. Aufgrund des flachen Geländes kann der Bereich neben der Straße vom Verkehr genutzt werden. Die magneta markierte Straße in Abb. 11 ist nur für Fahrzeuge mit einer Länge bis zu 30m freigegeben (möglicherweise auf Grund von Hangrutschungen. Dies hat auch zur Konsequenz, dass Hilfskräfte erst mit zeitlicher Verzögerung eintreffen können. Insofern sind auch die Informationen zur Anzahl der Opfer noch unklar und erste Angaben bei mehreren Hunderten sicherlich als untere Grenze zu betrachten.
According to the National Disaster Management Authority Pakistan with reports from 26.09.2013 (NDMA, 2013a) and 05.10.2013 (NDMA, 2013b) following are the estimates of the casualties and number of destroyed buildings:
Gebiet | Tote | Verletzte | Geschädigte Gebäude |
Awaran | 330 | 584 | 21.000 |
Kech | 46 | 240 |
Die schweren Erdstöße konnten auch an der Station in der Parkhöhle Weimar deutlich registriert werden (Abb. 4a, 4b).
Registrierte Erdbebenaufzeichnungen im nahen Umfeld des Epizentrums liegen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vor. Das Messnetz Pakistan verfügt über einige Stationen, die jedoch nicht die am stärksten betroffene Region erfassen (Abb. 5). Die nächstgelegenen Stationen wurden nach dem schweren Kashmir-Beben (8. Oktober, 2005) in Betrieb genommen. Insofern liegen auch noch keine - für die Schadensinterpretation selbst - relevanten Messdaten vor.
Die Einordnung des Epizentrums in Abb. 1 verdeutlicht die Lage der Störung und die plausible Einordnung des Epizentrums, wobei hier den Angaben des USGS gefolgt wird. Für das Gebiet werden Schüttergebietskarten (ShakeMaps) angeboten, die in den Abbildungen 6 und 7 in Form der internetbasierten Intensitäten bzw. der mit diesen korrelierten Boden-Spitzen-Beschleunigungen übernommen werden. Anhand dieser Prognosekarten ist abzuleiten, dass Spitzenbeschleunigungen im Epizentrum Werte im Bereich von 0.3 – 0.5 g erreicht haben könnten. Die dort vorhandenen Bauweisen können solche starken Bodenbewegungen ohne Schäden bzw. Einsturz nicht überstehen. Insofern sind weitaus größere und weiträumigere Schäden zu erwarten, als bis dato berichtet wurde.
Untersuchungen von EDAC für die Zielregion Pakistan geben Hinweise auf die Verteilung der Bauweisen. Auch hier wird deutlich, dass vorwiegend Adobe-Bauwerke im Epizentralgebiet vorhanden sind (Abb. 2).
Die Schwere des Erdbebens wird durch die gegenwärtige Erdbebenzonenkarte nicht adäquat abgebildet. Dies lässt sich anhand der Zonenkarte von BCP (2007) nachweisen (Abb. 8). Das Epizentralgebiet gehört zur Zone 2B und ist damit als moderat eingeordnet. Dies ist zweifellos sachlich nicht korrekt, hat aber baupraktisch nur geringe Konsequenzen, da sich die adobe Bauweise einer bautechnischen Regelung ohnehin entzieht. Auch die Welt-Erdbeben-Gefährdungskarte weist für dieses Gebiet offenkundig eine zu geringe Gefährdung aus (Abb. 9).
Die Multi-Hazard-Karte, die verschiedene Naturgefahren berücksichtigt, kennzeichnet dieses Gebiet als vorwiegend erdbebengefährdet (EHDA). Insofern sind hier die kartierten vorherrschenden Möglichkeiten infolge Naturgefahren realistisch abgebildet (Abb. 10).
Legende:
Erdbebengefährdetes Gebiet - Earthquake Hazard Dominated Areas (EHDA),
Hochwassergefährdetes Gebiet - Flood Hazard Dominated Areas (FHDA),
Erdbeben- und Hochwassergefährdetes Gebiet - Combined Hazard Dominated Areas (CHDA),
geringgefährdetes Gebiet hinsichtlich Erdbeben und Hochwasser - No Hazard Dominated Areas (NHDA)
Die Schäden konzentrieren sich auf die wenig besiedelte Epizentralregion. In den weiter entfernten größeren Städten (im Norden: Quetta; südwestlich: Karachi) sind keine nennenswerten Schäden zu verzeichnen gewesen. Schadensbilder der vorherrschenden adoben Bauweise zeigen Teileinstürze der massiven Mauerwerksgebäude, die vorwiegend eingeschossig ausgeführt sind (vgl. Abb. 12). Für die Schädigung maßgeblich ist die Art der Decken– bzw. Dachausbildung. Hier sind verschiedene Formen festzustellen. Neben leichten Holzbalkendecken sind hier auch Stahlbetondecken anzutreffen. Diese Bauweisen beziehen sich vorwiegend auf den öffentlichen Bereich und können das Versagen von Schulgebäuden und andere Gebäude der öffentlichen Nutzung erklären. Die Versagensformen sind typisch für die Adobe-Bauweise und gekennzeichnet durch das Auseinanderdriften der Wände und das Versagen des Dachbereichs infolge des Fehlens von wandverbindenden Holz- bzw. Stahlbeton-Ringbalken.
Ein Ersetzen der Bauweisen in dieser Region kann nur mit lokal verfügbaren Materialien vorgenommen werden. Hier bieten sich Bauweisen an, die sowohl die klimatischen Aspekte berücksichtigen als auch die Besonderheiten der Erdbebenbeanspruchung. Insofern sind Bauweisen unter Verwendung von vorwiegend Holzelementen eine Alternative, für die aus anderen Erdbebenregionen geeignete Vorschläge zur Verfügung stehen.
Literatur
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